Mittwoch, 12. Oktober 2011

11. Oktober

Ich mache mich auf zum nächsten Zug. Freudlicherweise will mir der Rezeptionist doch nur einen Tag berechnen und erstattet mir was zurück, bis der andere Depp von heute nacht auftaucht und protestiert. Schlussendlich bleibt's bei 1 1/2 Tagen, was für 17 Stunden auch noch recht happig ist. Dann mache ich eine einmalige Erfahrung in diesem Land: Der junge Taxifahrer weigert sich, 50 Rupien für die Fahrt zum Bahnhof zu nehmen, er besteht darauf, dass es nur 40 kostet - das macht mich jetzt sprachlos. Ich gehe zum Bahnsteig. Auf dem anderen Bahnsteig gegenüber läuft ein Büffel rum. Landestypisch bewegt er sich so langsam, dass es grade so reicht, um nicht anzuwachsen. Seelenruhig latscht er über den Bahnsteig, über die schlafenden Hunde und Menschen steigt er vorsichtg drüber. Dann wird sich erstmal im Mülleimer -der einzige am Bahnhof, wozu auch- bedient. Dann wieder weiter. Was ist das leckeres? Ein Papierfetzen? Vielleicht sogar mit Rotz drauf? Egal, nimmt er auch. An diesem High-Tech-Bahnhof gibt's nicht nur die obligatorischen automatischen Ansagen auf Englisch und Hindi, sondern auch noch Displays, die anzeigen, wo welcher Wagen steht. Bei Zuglängen bis 28 Wagen (Deutschland: Ein voller ICE hat 14, also die Hälfte!) ist das auch sinnvoll. Ein Taubstummer kommt und "erzählt" mir ganz aufgeregt irgendwas. Ich antworte auf deutsch, es spielt ja eh keine Rolle. Dann holt er seinen Geldbeutel raus und zeigt mir ein Foto von irgendeinem Bollywood-Schauspieler, glaube es war Aamir Khan. Dann geht er wieder. Ich muss unbedingt rauskriegen, was "Kriecher flechten" in Zeichensprache bedeutet. Endlich kommt der Zug. Mittlerweile habe ich mich ans Bewegungstempo der Einheimischen angepasst, einsteigen und das Gepäck festketten kann schon mal 10 Minuten dauern, nur nichts überstürzen. Erstaunt stelle ich fest, dass ich mich diesmal ausstrecken kann - hatte neulich den gleichen Platz, aber da ging's nur gefaltet. Haben die den Bauplan geändert oder war nur wieder einer zu dumm, ihn zu lesen? Mir soll's recht sein, 0:30 ist Abfahrt, ankommen sollen wir um 8:45, also frühestens um 9:30 (Indian Railways), diesmal kann ich ausschlafen. Ist übrigens erstaunlich ruhig, der Zug. Die Dinger sind super gefedert und haben kaum Laufgeräusche. Die Wagen haben Klotzbremsen, die quietschen aber nie, im Gegensatz zur deutschen Qualitäts-Klotzbremse aus dem Hause Knorr. Dafür bremsen unsere aber auch tatsächlich (gut, wir verbauen auch 16 Backen pro Achse und nicht 2 so wie die hier) und stinken nicht. Und ich kann euch sagen, dass der Asbeststaub der Bremse hier ganz und gar nicht gut riecht und auch einen gewissen Schleier auf allem hinterlässt. Glaube nicht, dass ich das Hemd wieder nach Deutschland einführen darf. Na, jedenfalls ist es eine ruhige Nacht und um 6:40 wache ich wieder auf. "Network search" steht auf dem Display. Jaaa, ist ja gut. Dann halt nicht. Wie vermutet ist es 9:30, als wir in Ahmedabad ankommen. Gepäckneger. Taxistand. Der Kerl ist zu freundlich, da stimmt was nicht, jetzt kommt gleich die Hotelnummer (Fahrer bekommen Provision von den Gammel-Hotels). Ich will ins "Ritz Inn". Gackgack, das wäre so teuer, es gibt viel Billigere, blabla, das kenn ich doch alles schon. Ich bleibe beharrlich bei "Ritz Inn". Er versteht, dass hier nicht die Rupie zu holen sein wird und schiebt mich an seinen Kollegen ab. Wieder Diskussion. Nein, "Ritz Inn", und ja, ich werde die ungeheuerliche Summe aufbringen können, die eine Nacht in diesem Palast kosten wird. Er fährt tatsächlich zum Ritz Inn. Das Hotel ist cool und man wird mir beim Beschaffen einer SIM behilflich sein. Frühstücken und duschen. Bekomme ein Schreiben vom Hotel und Passkopie sowie einen Gehilfen mit. IDEA will mir trotzdem keine Karte geben, weil in meinem Pass keine Strasse steht. Dumpfbacken. Er setzt mich in ein Tuk-tuk und weist den Fahrer an, zum Vodafone-Shop (ja, offizieller Shop, nicht Strassenverkauf) zu fahren. Und die geben mir eine SIM! Juhu! Die Rückfahrt ist lustig, der Kerl fährt wie der letzte Idiot. Innerhalb von 2km rammen wir ein Moped, ein Fahrrad und zwei Tuk-tuk, der Finger ist konstant auf der Hupe, überholt wird auf der Gegenspur und vier oder fünf andere Chaosteilnehmer werden angepöbelt. Eine Vollbremsung muss er auch mal hinlegen, weil der Kerl vor ihm doch tatsächlich an einer roten Ampel angehalten hat - Frechheit sowas. Ich frage mich, ob ich jemals in Deutschland wieder autofahren kann. Nachmittags zum essen. Chinesisch gibt's nicht, also wieder Butter Chicken. Wie üblich hervorragend, auch wenn mir der Schuppen einen zweifelhaften Eindruck macht. Danach einen knallig-grünen Pistazienkuchen. Dieses Hotel gefällt mir. Die Stadt ist Mist, aber hier gibt's eh nix zu sehen, das mache ich wieder in der nächsten Station, Udaipur, da bin ich dann auch länger.

Pistazienkuchen

Strassenszene in Ahmedabad

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